Limprichtia 20: 147-150, 2002

 

 

 

 

 

 

Scopelophila cataractae (Mitt.) Broth. auch in Süddeutschland

 

Michael Lüth

 

 

 

Zusammenfassung: Auf dem Gelände einer ehemaligen Erzwäscherei in Kappel bei Freiburg, Baden-Württemberg, wurde im März 2002 ein Vorkommen des Schwermetall-Mooses Scopelophila cataractae gefunden. Es ist der erste Fundort dieser Art in Süddeutschland und der dritte in Deutschland. Scopelophila cataractae wurde 1967 erstmals in Europa entdeckt. Anhand der Funde in Kappel wird gezeigt, dass die Art aber mindestens schon seit 50 Jahren in Deutschland vorkommt.

 

Summary: On the remaining dump of a previous mine in Kappel near Freiburg, Southwest Germany, the moss Scopelophila cataractae was found in march 2002. It is the first record of this species in South Germany, and the third for Germany. The first record of Scopelophila cataractae for Europe was in 1967. It can be concluded, that this heavy metal-tolerant species has existed in Germany at least since 50 years.

 

Einleitung

In meiner Funktion als Landschaftsökologe und Bauleiter hatte ich die Aufgabe, die Nachbesserung einer vor 10 Jahren durchgeführten Rekultivierung auf einer Abraumhalde der ehemaligen Erzwäscherei in Kappel bei Freiburg zu organisieren und zu betreuen. Beim Studium der Unterlagen fielen mir die sehr hohen Zinkwerte des Substrats auf (bis zu 140000 mg/kg trockenen Bodens). In letzter Zeit wurde aus Europa von zinkhaltigen Böden in der Umgebung von Erzanlagen mehrfach Vorkommen des Schwermetallmoses Scopelophila cataractae berichtet (Zusammenstellung in Frahm 2001). Ein Vorkommen auf dem Standort bei Kappel erschien also durchaus wahrscheinlich. Eine Nachsuche brachte dann auch das erwartete Ergebnis: Scopelophila cataractae kommt auf dem Gelände der ehemaligen Erzwäscherei in Kappel an mehreren Stellen, zum Teil in großer Menge, vor. Es ist der erste Fund dieser Art in Süddeutschland und das dritte, bekannt gewordene Vorkommen in Deutschland.

 

Vorkommen von Scopelophila cataractae (Mitt.) Broth.

Die Art, die an Barbula convoluta erinnert, aber oliv- bis braungrün ist und glatte Laminazellen hat, besitzt weit verstreute, isolierte Vorkommen auf natürlichen Standorten mit Schwermetallanreicherungen in Nord-, Mittel- und Südamerika und Asien, mit Schwerpunkt in tropischen Gebieten und, wie erst seit kurzem bekannt, mehrere Vorkommen in Europa auf Sekundärstandorten in der Umgebung von Zinkhütten und Erzwäschereien. Das erste europäische Vorkommen wurde 1967 in der Nähe einer Zinkschmelze in Wales entdeckt, die Identität der Art aber erst 1982 festgestellt (Corley & Perry 1985). 1985 gab es einen weiteren britischen Fund auf Schwermetallboden bei South Devonshire (Crundwell 1986). Gleichzeitig wurden auf dem europäischen Festland mehrere Funde in Frankreich, Belgien und der Niederlande gemacht (Sotiaux et al. 1987, Melick 1987), immer in der Nähe von Zinkhütten oder Erzwaschanlagen. Unter diesen Funden war auch der erste Fund für Deutschland, von A. Sotiaux in Stolberg bei Achen. Das zweite Vorkommen in Deutschland wurde 1994 bei St. Goar entdeckt (Meinunger & Schröder 1996). Der Fund vom 23.03.2002 in Kappel belegt somit das dritte bekannte Vorkommen der Art in Deutschland.

Während in den Tropen Scopelophila cataractae Sporophyte bildet und durch Sporen verbreitet wird (über die Luft), kommen in Europa (und Nordamerika) nur männliche Pflanzen vor. Die Verbreitung funktioniert dabei über Ptotonema-Bulbillen (mit dem Substrat). Mit dieser Verbreitungsstrategie kann die Art auch leicht bewegte Schutthalden besiedeln.

 

Historische Entwicklung des Standortes

Kappel ist ein Stadtteil von Freiburg im Breisgau, im Osten der Stadt und liegt am Fuß des Schauinslands. Die Stadt Freiburg begründete ihre Entstehung und ihren Reichtum durch große Silbervorkommen am Schauinsland. Es gibt erste Erwähnungen des Bergbaus in Kappel um das Jahr 1100. Um 1400 erlebte der Silberbergbau am Schauinsland eine große Blütezeit.

Mit zunehmender Tiefe der Stollen wurde das silberführende Bleiglanz-Erz von Zinkblende abgelöst. Ab 1500 brachte der Bergbau am Schauinsland immer weniger Silber hervor. Es kamen Kriege und die Pest, und durch einen allgemeinen Wirtschaftsrückgang verfiel der Silberpreis zudem immer mehr. Der Bergbau am Schauinsland wurde vorerst aufgegeben. Laut einem Bericht der vorderösterreichischen Regierung des Jahres 1781 waren die Bergwerksanlagen in Kappel und am Schauinsland damals bereits verfallen.

1890 wurde der Bergbau von den Schwarzwälder Erzbergwerken zum Abbau von Zink wieder aufgenommen. 1898 entstand die Erzwäscherei in Kappel. Hier wurde das Erz zerkleinert und in Schlämmbecken nach dem spezifischen Gewicht getrennt. 1936 übernahm die Stolberger Zink AG die Anlagen und baute sie aus. Ab 1937 kam das Flotationsverfahren zum Einsatz, wobei die feingemahlenen Erze mit Wasser, Cyaniden und weiteren Chemikalien versetzt wurden um Metalle wie Blei, Zink und Silber als Konzentrat abzutrennen. Die Aufbereitungsreste der Flotationsbecken wurden in gewissen Zeitabständen auf Halden abgelagert.

1953 wurde der Betrieb eingestellt und die Fertigungsanlagen geschleift. Das mit Bauschutt und Bruchsteinen durchsetzte Gelände bewaldete zum Teil spontan, zum Teil wurde es auch aufgeforstet. Die Schlammteiche wurden zum Teil mit Boden abgedeckt, zum Teil blieben sie unverändert. Die Halden zeigten selbst nach Jahrzehnten noch keinen nennenswerten Bewuchs.

 

Aktueller Zustand des Standortes

Mitte der 80er Jahre entstand die Idee, Teile des ehemaligen Betriebsgeländes der Stolberger Zink AG (die Bereiche der Schlammteiche im Talgrund) in Bauland umzuwandeln. Angeforderte Bodenanalysen ergaben sehr hohe Schwermetallkonzentrationen (Zink bis zu 140000 mg/kg, Blei bis zu 41000 mg/kg und Cadmium bis zu 530 mg/kg trockenen Bodens). Nach der LAGA-Richtlinie für Verwendung von Boden liegen die Grenzwerte für uneingeschränkten Einbau für Zink bei 120 mg/kg, für Blei bei 100 mg/kg und für Cadmium bei 0,6 mg/kg. Nach Eikmann-Kloke (LFU 1994) liegen die Schwellenwerte für nicht-agraische Ökosysteme für Zink bei 300-600 mg/kg, für Blei bei 1000-2000 mg/kg und für Cadmium bei 5-10 mg/kg.

Das Umweltamt Freiburg forderte die vollständige Sanierung des als Bauland vorgesehenen Bereiches (Abtragung der belasteten Bodenoberfläche) und die Rekultivierung der zwei offenen Halden (ingenieurbiologische Maßnahmen zur Begrünung). Die Begrünung der Halden sollte ein ungehindertes Eindringen des Niederschlagswassers in den Haldenkörper und damit ein Ausschwemmen der Schwermetalle verringern. Es wurden nämlich bereits erhöhte Werte im Abstrombereich des Grundwassers festgestellt.

Die Rekultivierung der Halden erfolgte 1992. Es wurden Gehölze gepflanzt, Mutterboden aufgebracht und eingesäht. Der Erfolg der Maßnahme hielt sich in Grenzen. Auf einigen Bereichen der Halden sind die Gehölze angegangen und es hat sich eine schüttere Gras- und Krautvegetation entwickelt. Andere Haldenbereiche sind aber bis zum Anfang des Jahres 2002 frei von höherer Vegetation geblieben. Das Freiburger Umweltamt hat daher auf Nachbesserung gedrängt.

Die neuerliche Bepflanzung der verbliebenen offenen Haldenbereiche erfolgte im April 2002. Ob diese erfolgreich sein wird, ist anhand der hohen Schwermetallkonzentrationen ungewiss. Mit Unterstützung der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Freiburg gelang es dem Autor, beim Umweltamt zu erwirken, dass ein Haldenbereich mit einer größeren Population von Scopelophila cataractae, von der Bepflanzung ausgelassen wurde.

Die Sanierung der Schlammteiche, in deren Umfeld sich das Hauptvorkommen von Scopelophila cataractae befindet, steht theoretisch kurz bevor. Es ist dies aber ein sehr kostspieliges Vorhaben und es kann durchaus sein, dass dem Bauherren unterwegs das Geld ausgeht.

 

Vorkommen von Scopelophila cataractae bei Kappel und begleitende Moosflora

 Scopelophila cataractae besitzt auf dem Gelände der ehemaligen Erzwäscherei bei Kappel zwei größere Hauptvorkommen und einige kleinere Nebenvorkommen. Der weitaus größte Bestand findet sich auf offenem Boden der Wege und Abgrenzungsdämme der noch unveränderten Schlammteiche im Talgrund (350 m), am Fuß der ehemaligen Erzwäscherei. Das sandig-tonige bis lehmige Substrat ist auf großen Flächen mit dem Moos bewachsen. Begleitende Moosarten sind hier nahezu ausschließlich Pohlia nutans und Weisia controversa. In den mit Schilf bewachsenen Schlammteichen wachsen auf leicht erhöhten Bereichen vor allem Pohlia nutans und gelegentlich etwas Bryum pseudotriquetrum.

Das zweite große Vorkommen von Scopelophila cataractae befindet sich auf der nordexponierten Halde, am Hangfuß unterhalb der ehemaligen Erzwäscherei (360-380 m), eine Ablagerungshalde mit sandig-lehmigem bis schluffig-tonigem Material. Die Art besiedelt dabei verschiedene Stellen, die nach der Rekultivierung offen geblieben sind, findet sich aber auch vereinzelt an kleineren Bodenanrissen innerhalb der schütteren Vegetationsdecke. Die häufigsten Moose auf dieser Halde, wie auch auf allen anderen offenen Bereichen der ehemaligen Erzwäscherei, sind Pohlia nutans und Weisia controversa. Diese Arten scheinen besonders resistent gegen schwermetallbelastete Standorte zu sein und werden auch von den anderen Scopelophila Fundorten genannt (Sotiaux et al. 1987, Frahm 2001). In kleineren Mengen findet man auf den offenen Teilen dieser Halde außerdem Campylopus introflexus, Jungermannia hyalina, Dicranella varia, und Pohlia annotina. In der mit lückiger Vegetation bewachsenen Halde nimmt Brachythecium velutinum große Flächen ein. Am oberen Rand der Halde, im Übergangsbereich zum bewaldeten Teil, gibt es kleinere Vorkommen von Lophozia bicrenata. Dort findet sich auch der Tannen-Bärlapp (Huperzia selago), an einem seiner niedrigsten Vorkommen in Baden-Württemberg (380 m).

Kleinere Vorkommen von Scopelophila cataractae findet man auf dem ganzen Gelände der Erzwäscherei verstreut, und zwar immer dort, wo das schluffig-tonige Material aus den Schlammteichen und Flotationsbecken abgelagert wurde. In der Regel handelt es sich immer um offene, unbewaldete Bereiche, vereinzelt wurden jedoch auch Vorkommen in lückigem Waldbestand gefunden.

Auf der zweiten großen und offenen Ablagerungshalde im Osten der Erzwäscherei, konnte Scopelophila cataracate nicht gefunden werden. Die Halde wird fast ausschließlich von Weisia controversa besiedelt. Die Halde ist SO-exponiert und das Material eher sandig und neigt auf der  sonnigen Halde zum Austrocknen. Es scheint ein Substrat zu sein, auf dem Scopelophila nicht vorkommen kann. Ganz in der Nähe dieser Halde, gibt es ein kleines Vorkommen auf einer schluffigen Ablagerung im Wald.

Es wurden auch andere Bereiche des Bergbaus am Schauinsland nach Scopelophila cataractae abgesucht, das Vorkommen der Art beschränkt sich aber anscheinend auf das Gelände der Erzwäscherei. Nur dort findet sich das sehr feinkörnige Substrat, das die Art offenbar bevorzugt, die Abraumhalden und Bodenanrisse in Oberkappel und am Gegendrum bei Schauinsland-Hofsgrund sind alle sandig-steinig.

Bei dieser Gelegenheit konnten aber andere interessante Beobachtungen gemacht werden. Auf den offenen Bodenbereichen, die im Umfeld der alten Bergbauanlagen häufig vorkommen, wurde mehrfach Pohlia annotina gefunden, zum Teil in Massenvorkommen.

Auf einer halb im Wald gelegenen, halb offenen, SO-exponierten Abraum-Steinhalde auf dem Gelände der Erzwäscherei, konnte eine bemerkenswerte Moos-Vegetation notiert werden. Dort kommen als spezielle Gesteinsbewohner vor: Grimmia affinis, Grimmia decipiens, Grimmia pulvinata, Schistidium crassipilum, Orthotrichum rupestre, Ptychomitrium polyphyllum, Homomallium incurvatum; daneben gewöhnliche Arten mit breiterer Ökologie wie: Brachythecium populeum, B. rutabulum, B. velutinum, Bryum capillare, Eurhynchium hians, Hypnum cupressiforme, Metzgeria conjugata und M. furcata. 

 

Diskussion

Scopelophila cataractae wurde 1967 erstmals in Wales für Europa gefunden, der erste Fund vom europäischen Festland stammt von 1985. Es ist aber offensichtlich, das die Art schon länger bei uns vorkommt, mindestens seit den 50er Jahren. Da die Art bei uns nicht fruchtet und auf Transport mit Bodenmaterial angewiesen ist, geschah die Verbreitung vermutlich durch Geräte und ähnliches. Alle drei Standorte in Deutschland waren Anlagen der Stolberger Zink AG und ein Austausch von Maschinen und Geräten ist anzunehmen. Gegen eine Ausbreitung durch die Luft in neuerer Zeit spricht auch das Vorkommen der Art an kleinen Stellen innerhalb von Waldbeständen auf dem Gelände der Erzwäscherei in Kappel.

Da die Anlage in Kappel nur bis 1953 in Betrieb war, kann man also davon ausgehen, dass Scopelophila cataractae bereits damals in Freiburg und damit auch an den anderen Fundorten Deutschlands vorkam (dazu auch Frahm 2001).

 

Literatur

 

Corley, M.F.V. & A.R. Perry (1985): Scopelophila cataractae (Mitt.) Broth. in South Wales, new to Europe.- J. Bryol. 13: 323-328.

Crundwell, A.C. (1986): Scopelophila cataractae in Devonshire.- J. Bryol. 14: 387-389.

Frahm, J.-P. (2001): Scopelophila cataractae in Europa schon vor 1967 vorhanden oder sogar indigen? Anmerkungen zum Fund dieser Art bei St. Goar.- Bryol. Rundbr. 42: 1-4.

LFU (Landesanstalt für Umweltschutz) Baden-Württemberg (1994): Grenzwerte, 2. Erg. Lfg. 11/94, Karlsruhe.

Meinunger, L. & W. Schröder (1996): Bemerkenswerte Moosfunde in Deutschland.- Bryol. Mitt. 1: 39-44.

Melick, H. van (1987): Scopelophila cataractae (Mitt.) Broth. Ook in Nederland.- Lindbergia 12: 163-165.

Sotiaux, A., P.D. de Zuttere, R. Schumacker, R.B. Pierrot & C. Ulrich (1987) : Le genre Scopelophila (Mitt.) Lindb. En Europe.- Cryptogamie Bryol. Lichénol. 8 : 95-108.