Neufund von Euonymus latifolius (L.) Mill. und Rosa abietina Gren.
im Schwarzwald

 

Michael Lüth & Walter Wolf

Einleitung

Während einer Kartierung in der Gemeinde Todtnau, Kreis Lörrach, wurden zwei neue Straucharten im Schwarzwald entdeckt: Das Breitblättrige Pfaffenhütchen, Euonymus latifolius (L.) Mill. und die Tannen-Rose, Rosa abietina Gren. (hierzu auch Lüth 2000; in Druck). Die beiden Gehölzarten besitzen einen Verbreitungsschwerpunkt in montanen Lagen der Alpen mit Vorkommen im Voralpengebiet. Durch die Funde sind die Areale (vielmehr die Kenntnis darüber) nun Richtung Schwarzwald ausgedehnt. Es handelt sich bei den Funden nicht um Neubesiedelungen, beide Wuchsorte sind bereits seit (weit?) mehr als einem Jahrzehnt besiedelt.

Todtnau liegt im Süden des Schwarzwaldes am Fuß des Feldberges und am oberen Ende des Wiesentales. Das Gebiet ist klimatisch einerseits durch die Nähe des subalpinen Feldberges mit seinen kalten Fallwinden geprägt. Andererseits unterliegt das Gebiet durch das nach Südwesten geöffnete Wiesental häufigen Warmlufteinbrüchen und Föhnwetterlagen.

Euonymus latifolius   Miller 1768

     8113 SO; Schwarzwald, Todtnau; zahlreiche Exemplare in Feldgehölz auf Felsen an südexponiertem Hang oberhalb der Ortschaft Todtnau; 700m; Lüth & Wolf, 27.09.1999.

Morphologie

Euonymus latifolius unterscheidet sich in einer ganzen Reihe vegetativer und generativer Merkmale deutlich von E. europaeus; hier seien nur die wichtigsten genannt:

·        Blätter etwa doppelt so groß (7-12 cm lang), mit bis 1 cm langem Blattstiel      (E. europaeus: Blätter nur 3-3,5 cm lang mit 0,5 cm langem Blattstiel). Die Längenangaben gelten für blühende Zweige (Demuth, 1992), in der Todtnauer Population waren die Blattgrößen nichtfruchtender Sträucher unserer Beobachtung nach nicht signifikant kleiner.

·        Junge Zweige im Querschnitt abgerundet (E. europaeus: quadratisch).

·        Blüten 5-zählig, Blütenstand 6-15blütig, 4-6 cm lang gestielt (E. europaeus: Blüten 4zählig, Blütenstand 2- 6blütig, 1-3 cm lang gestielt).

·        Frucht 5teilig, Fruchtklappen geflügelt, Fruchtstand hängend (E. europaeus: Frucht 4teilig, Fruchtklappen ungeflügelt, Fruchtstand aufrecht) .

Standort

Die Population von Euonymus latifolius wächst in einem am Waldrand gelegenen Feldgehölz (lichter Eichenmischwald mit Esche) um einen Felsen (Gneis) an südexponiertem Hang. Neben zahlreichen Jungpflanzen (ca. 50-100) konnten 6 ausgewachsene, fruchtende Sträucher gefunden werden, die zwischen 2-4 m Höhe erreichen.  Es handelt sich um einen kleinflächigen Sonderstandort, als Kontaktvegetation findet man einen Douglasienforst, an lichten Stellen wie Wegrändern, stellenweise auch mit Esskastanie (Castanea sativa). Diese bisher nicht belegten Kastanienvorkommen lassen sich an bereits bekannte Vorkommen aus dem unteren Wiesental anschließen (siehe Nebel 1990, S. 359).

Der Felsfuß ist mit Eschen (Fraxinus excelsior) bewachsen. Die felsigen Bereiche werden von Quercus petraea und Sorbus aria dominiert. Bemerkenswert ist das Vorkommen von Sorbus x hybrida, dem Bastard aus Sorbus aria und Sorbus aucuparia, der sich trotz des häufigen gemeinsamen Vorkommens ausgesprochen selten bildet und von dem im Schwarzwald bisher nur wenige Nachweise vorliegen.

Die günstigen Lichtverhältnisse ermöglichen das Aufkommen einer artenreichen und üppigen Strauchschicht mit viel Eschen- und Bergahorn-Jungwuchs am Felsfuß und lichtliebenden Sträuchern wie Amelanchier ovalis oder Juniperus communis im Bereich der Felspartien; außerdem vertreten sind Rosa canina, Crataegus monogyna & C. laevigata, sowie Ilex aquifolium. Der Großteil der Euonymus-Population wächst am Felsfuß, einige Pflanzen finden sich aber auch auf Felsbändern und in Felsspalten, ein Teil der Jungpflanzen siedeln auf dem Felskopf.

Verbreitung

Es handelt sich um eine submediterran-montane Art mit praealpidem (sensu Oberdorfer 1990) Hauptareal, das den Balkan, die Südalpen, den Apennin und Teile der West- und Nordalpen umfaßt. Darüber hinaus gibt es zusammenhängende Vorkommen der Art im Kaukasus und auf der Krim. Versprengte, reliktische Populationen finden sich im marokkanischen Atlas, in Algerien (Kabylei) und der Türkei. (nach Angaben aus Meusel, H. et al. 1978). In Baden-Württemberg erreicht Euonymus latifolius die Nordwestgrenze seines Areals.

Obwohl es sich um eine ornithochore Art handelt, zeigt sie in Bayern offensichtlich keine Tendenz zu einer weiteren Ausbreitung. Das bayerische Areal ist ausgesprochen kompakt. Fast alle Vorkommen liegen im Bereich des ehemals vergletscherten Moränengürtels und in den Alpen, wenige Vorkommen existieren im Molassehügelland (nach Kartenmaterial aus Krach, 1981). Ihrer Höhenverbreitung nach handelt es sich um eine montane bis hochmontane Art; in Bayern und der Schweiz steigt sie bis auf 1000 m, in Nordtirol, den Westalpen und dem Balkan bis auf 1500 m (nach Angaben aus Hegi et al, 1975). 

Der ökologische Schwerpunkt der Art liegt in schattigen Laub- und Nadelmischwäldern, vor allem in praealpinen Fagion-Gesellschaften und lindenreichen Steilhang- und Schluchtwäldern, auf nährstoffreichen, frischen, tiefgründigen Mullböden. Seltener kommt das Breitblättrige Pfaffenhütchen auch in Auwäldern und Gebüschen des Berberidion-Verbandes vor. Im Mediterranraum sind auch Vorkommen in Kastanienwäldern belegt (Demuth 1992).

Von einigen Autoren wird die Art als thermophiles Element eingestuft, so z.B. von Hegi (1975). Wie bereits erwähnt, liegen die Hauptvorkommen der Art aber in schattigen Laubmischwäldern. In fast allen Teilarealen erweist sich die Art als mesophiles Laubwaldelement. Die stark disjunkte Verbreitung von E. latifolius mit Vorkommen von Marokko bis zum Kaukasus läßt die Interpretation zu, daß es sich um eine Art handelt, deren Formenkreis in tertiären, montanen bis subalpinen winterkahlen Breitlaub-Mischwäldern weit verbreitet war. Im Kaukasus gibt es noch zwei endemische Arten, die mit E. latifolius sehr nahe verwandt sind (Meusel et al. 1978).

Selten wird die Art als Zierstrauch gepflanzt. In der näheren Umgebung des Schwarzwaldvorkommens konnten derartige Anpflanzungen nicht festgestellt werden, das Vorkommen macht einen äußerst natürlichen Eindruck. Synanthrope Vorkommen werden in Demuth (1992) für Baden-Württemberg nicht erwähnt, für Bayern gibt Krach (1981) einige wenige an, die evtl. synanthrop sein könnten. Die nächstgelegenen Vorkommen liegen im Argental und in der Gegend um Ravensburg, sowie im französischen Jura.  

Naturschutz

Die Population befindet sich offensichtlich in Ausbreitung, worauf die gute Verjüngung hindeutet. Die Fläche ist derzeit ungenutzt, sofern dies auch in Zukunft gegeben ist, kann eine Gefährdung der Population ausgeschlossen werden, Pflegemaßnahmen erscheinen nicht nötig. Laut Demuth (1992) zeigen die Vorkommen von Euonymus latifolius im württembergischen Allgäu und am Bodensee seit 100 Jahren deutliche Rückgänge. Große Populationen seien selten, meist bestünden sie nur aus wenigen Pflanzen. Der Autor schlägt vor, den Gefährdungsgrad von schonungsbedürftig (G 5) auf potentiell durch Seltenheit gefährdet (G 4) hochzustufen. Vor diesem Hintergrund ist das bisher einzige bekannte Vorkommen im Schwarzwald  als besonders wertvoll und schützenswert einzustufen.

 

Rosa abietina Gren. 1873

8113 SO; Schwarzwald Todtnau, Gschwend; ein Exemplar zwischen Steinblöcken am Ufer der „Wiese“; 570 m; Breunig, Dietz, Lüth u. Wolf 12.08.99

Morphologie

Rosa abietina gehört in die Artengruppe der Sectio Caninae. Manche Arten dieser Gruppe stehen sich morphologisch sehr nahe, R. abietina ist jedoch deutlich von anderen Arten abgegrenzt:

·        Die Sectio Caninae läßt sich in drei Untergruppen aufteilen: Die Filzrosen (R. tomentosa-Gruppe) mit filziger Behaarung und Duftdrüsen (Harzgeruch) auf der Blattlamina, die Weinrosen (R. rubiginosa-Gruppe) mit Duftdrüsen (Obst- oder Weingeruch) auf der Blattlamina aber ohne Behaarung und die eigentlichen Hundsrosen (R. canina-Gruppe) ohne Duftdrüsen und Behaarung auf der Blattlamina. Danach gehört R. abietina in die Gruppe von R. canina.

·        Innerhalb der engeren Gruppe der Hundsrosen unterscheidet man Arten mit und ohne Stieldrüsen im Blütenstand. R. abietina besitzt reichlich Stieldrüsen am Buttenstiel, auf der Butte und an den Kelchblättern.

·        Bei den Hundsrosen mit Stieldrüsen gibt es Arten mit unbehaartem Blattstiel (R. andegavensis, R. blondaeana und R. jundzillii) und solche mit Behaarung auf Blattstiel und Blattrachis (R. stylosa und R. abietina)

·        Im Gegensatz zu R. stylosa besitzt  R. abietina einen flachen Diskus mit breitem Griffel in wolligem Narbenköpfchen und relativ weitem Griffelkanal (R. stylosa mit kegelförmigem Diskus, Griffel als schmales Sträußchen, Griffelkanal eng).

·        In neuerer Literatur (Oberdorfer 1994, S. 564; Timmermann 1994, S. 58) wird R. abietina mit doppelter Blattzähnung angegeben (Schlüsselkriterium), der Blattrand des Exemplares in  Todtnau ist jedoch nur einfach gezähnt. In „Die Rosen der Schweiz“ schreibt Hermann Christ (1873, S. 133): „Zahnung doppelt und teilweise einfach bis zusammengesetzt,“.  Nach Timmermann (mündl.) müßte das Merkmal der Blattzähnung für R. abietina in den neueren Floren relativiert werden, da diese anscheinend doch variabel ist.

Die Tannen-Rose aus Todtnau ist ein mittelgroßer gedrungener Strauch mit einem üppigen Besatz mit Hagebutten. Das Alter des Strauches ist schwer zu schätzen. Es beträgt sicher mehr als 10 Jahre, vermutlich sogar über 20-30 Jahre.

Standort

Rosa abietina wurde zwischen Steinblöcken am Ufer des Flusses „Wiese“, ca. 1 m über der Mittelwasserlinie, gefunden. Diese Steinblöcke sind als Sicherung am Ufer zusammengetragen worden. Nach Angaben eines Ortskundigen (Hr. Einar Decker, Forstamt Todtnau) liegt diese Ufersicherung wahrscheinlich schon weit über 100 Jahre zurück (sicher über 30 Jahre), eventuell als die Wiese für die Flößerei von Steinblöcken im Flußbett befreit wurde. Auf den Steinpackungen entlang der Ufer haben sich seither zahlreiche Gehölze angesiedelt (keine Gehölzanpflanzungen), darunter Schwarz-Erle, Esche, Berg-Ahorn, Sommer-Linde, Hasel, Holunder, Weißdorn und Heckenkirsche. An Rosen finden sich hier: Rosa canina, R. corymbifera, R. vosagiaca und R. pendulina. Rosa abietina wächst an einer Stelle mit lückigem Gehölzbewuchs im lichten Schatten unter einem Haselstrauch.

Verbreitung

Rosa abietina ist vorwiegend alpid verbreitet. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in den Westalpen, wo die Art stellenweise häufig ist. Vereinzelt kommt sie östlich bis nach Tirol vor. Zudem gibt es einzelne Vorkommen im Voralpengebiet, so im nördlichen Schweizer Jura (Christ 1873, Timmermann 1994) und im bayrischen Allgäu (Heupler & Schönfelder 1988). Die zwei bayrischen Vorkommen waren bislang die einzig gesicherten Vorkommen in Deutschland. In der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (Korneck, Schnittler & Vollmer 1996) wird Rosa abietina als verschollen geführt, da die Vorkommen im Allgäu aus neuerer Zeit nicht mehr bestätigt werden konnten. Nach Timmermann (mündl.) gibt es mittlerweile wieder ein gesichertes Vorkommen von R. abietina in Bayern und zwar im Gebiet von Berchtesgarden.

Zu Vorkommen im Schwarzwald gibt es in der Literatur einige unsichere und fragliche Angaben:

Klein (1905): Seubert-Klein’s Exkursionsflora für das Großherzogtum Baden: „Diese typische Form der Alpen ist wahrscheinlich im Schwarzwald noch aufzufinden; Sv (Schwarzwald-Vorberge) Freiburg Schloßberg.“

Hegi (1923): „Angeblich auch im Schwarzwald (Freiburger Schloßberg, Feldberg usw.).“

Hess, Landolt & Hirzel (1977): Flora der Schweiz: „Angaben aus dem Schwarzwald unsicher.“

Oberdorfer (1994): Pflanzensoziologische Exkursionsflora: „süSchw (?).“

In „Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs“ Sebald & al. (1992) wurde die Art nicht aufgenommen. Der Bearbeiter der Rosen, Georg Timmermann, fand keinen gesicherten Hinweis auf ein Vorkommen, Herbarbelege erwiesen sich als Fehlbestimmungen.

Der Herbarbeleg der Tannen-Rose aus Todtnau wurde von Georg Timmermann bestätigt, er kommentierte ihn mit den Worten: „Mit Ihrem Fund ist die bisherige ‚Unsicherheit‘ beendet! Es gibt im Schwarzwald die Rosa abietina.“

Literatur

Christ, H. (1873): Die Rosen der Schweiz mit Berücksichtigung der umliegenden Gebiete Mittel- und Südeuropas.- 219 S., Basel.

Demuth, S. (1992): Celastraceae.- in Sebald & al.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs.- Bd. 4, 78-81, Stuttgart.

Haeupler, H. & P. Schönfelder (1989): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der BRD.- 2. Aufl., 768 S., Stuttgart.

Hegi, G. (1923): Illustrierte Flora von Mitteleuropa.-Bd. IV, 2, Berlin-Hamburg.

Hess, H.E., E. Landolt & R. Hirzel (1977): Flora der Schweiz.- Bd. 2, 2. Aufl., Basel.

Klein, L. (1905): Seubert-Klein’s Exkursionsflora für das Großherzogtum Baden.- 6. Aufl., 454 S., Stuttgart.

Korneck, D., M. Schnittler & I. Vollmer (1996): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Deutschlands.- in Rote Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands, Schriftenreihe für Vegetationskunde, Heft 28, 21-187, Bonn-Bad Godesberg.

Krach, J.E. (1981): Gedanken zur Neuauflage der Roten Liste der Gefäßpflanzen in Bayern.- Ber. ANL 5, 156-175, Laufen/Salzach.

Lüth, M. (2000): Rosa abietina und andere Funde von Wildrosen in Südbaden. Mit einem Bestimmungsschema für die Sectio Caninae.- Acta Rhodologica, Bd. 3, in Druck,Velburg.

Meusel, H. et al. (1978): Chorologie der zentraleuropäischen Flora.- Bd 2., G. Fischer, Jena.

Nebel, M. (1990): Fagaceae.- in Sebald & al.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs.- Bd. 1, 356-368, Stuttgart.

Oberdorfer, E. (1994): Pflanzensoziologische Exkursionsflora.- 7. Aufl., 1050 S., Stuttgart.

Timmermann, G. (1992): Rosa L. 1753.- in Sebald & al.: Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs.- Bd. 3, 64-101, Stuttgart.

Timmermann, G. & Th. Müller (1994): Wildrosen und Weißdorne Mitteleuropas. Landschaftsgerechte Sträucher und Bäume.- 2. Aufl., 141 S. u. 30 Farbtafeln, Stuttgart.

 

 

 

Anschrift der Verfasser:

Michael Lüth Emmendinger Str. 32             79106 Freiburg

Walter Wolf    Todtnauer Str. 4                     79115 Freiburg

 

 

Abb. 1: Euonymus latifolius an einem Felsen bei Todtnau; 30.09.1999

Abb. 2: Rosa abietina, Gschwend bei Todtnau; 03.09.1999